(4) Nicht nur ein Schnupfen
Keine Stunde nach der Email habe ich dann mit Frau Dr. Hase (Name geändert) telefoniert.
Sie befand sich gerade nicht im Dienst, aber Sie sagte gleich Sie hätte aus meiner Email eine gewisse Verzweiflung raus gelesen und möchte deshalb jetzt diesen freien Moment nutzen.
Während des Telefonats habe ich ihr schon ein mal den Befund und ein paar Bilder vom Kontrastmittelröntgen geschickt, welche Sie sich gleich während unseres Gesprächs ansah.
Da kam dann auch wieder das bekannte „Oh ja.“, das wir nun ja wie beschrieben schon öfters gehört haben.
Alles Quatsch
Ich habe Frau Dr. Hase berichtet, welche Behandlung Herr Prof. Dr. X vorgeschlagen hat und sie war schon fast schockiert. Sie sähe das vollkommen anders.
Zunächst ist sie überzeugt, dass man den Megacolon (geweiteten Dickdarm) durchaus zurückbilden kann. Man solle sich diesen Bereich nicht als schlaffen Ballon vorstellen, sondern als sehr stark trainierten Darmabschnitt. Dieser Teil arbeitet ja seit über 3 Jahren mit aller Kraft gegen die Morbus Hirschsprung Engstelle an.
Ebenso ist sie davon überzeugt, dass ein Stoma (in der Regel) nicht notwendig ist. Für die Heilung der Narbe sei es viel besser, wenn der Darm nicht rein gehalten wird und dass die guten Darmbakterien der Heilung sogar helfen.
Sie würde wie folgt vorgehen:
- Durch tägliche Darmspülungen über ca 3 Monate soll der Darm entlastet werden und das Megacolon würde sich so hoffentlich zurück bilden.
- Nach 3 Monaten eine weitere Kontrolle mittels Kontrastmittelröntgen.
- Wenn der Darm sich dann ausreichend zurück gebildet hat folgt die Operation nach De La Torre.
- Wenn er sich noch nicht ausreichend zurückgebildet hat folgt weiteres Spülen oder bei zu geringer Rückbildung dann evtl doch die Entfernung des Megacolon.
Das klang für uns alles sehr plausibel und die konservativere Vorgehensweise mit weniger Operationen gefiel uns natürlich auch erst mal besser.
Frau Dr. Hase hat uns geraten mit dem Spülen so schnell es geht zu beginnen. Das würde sie uns gerne persönlich zeigen und die erste Spülung selbst durchführen um uns das so beizubringen. Hierfür könnten wir am übernächsten Wochenende vorbei kommen. Da habe sie Dienst in der Klinik und wir sollen am besten Freitags kommen und bis Sonntag in einer Ferienwohnung in der Nähe bleiben, damit wir bei Rückfragen oder Problemen beim ersten selbst Spülen direkt noch mal vorbei kommen können.
Wow. Das geht jetzt alles plötzlich doch ganz schön schnell.
Vorbereitungen
Bei diesem kurzfristigen Angebot und bei dem tollen ersten Telefonat haben wir also direkt zugesagt, dass wir kommen.
Die Klinik ist aber leider ein ganzes Stückchen weit weg von unserem MausHaus. Genauer gesagt 530 Kilometer.
Gerne wären wir diese lange Strecke mit dem Zug gefahren, aber da zeigt sich dann doch, dass es in Deutschland mit günstigem Bahnfahren nicht so einfach ist. Auch wenn wir es aus ökologischer Sicht begrüßt hätten Bahn zu fahren waren uns die 350 Euro für Bahntickets doch einfach zu viel.
Eine günstige Ferienwohnung haben wir zum Glück noch kurzfristig über einen Online Anbieter bekommen und so freute sich die kleine Maus schon auf einen kleinen „Urlaub“ ganz allein mit Mama und Papa. Die große Maus durfte ein Wochenende bei seinen coolen Tanten in der „Stadt mit K“ verbringen und war darüber mindestens genauso glücklich.
Wochenendtrip
Auf dieser längeren Autofahrt hatten wir glücklicherweise keinen einzigen Stau. Nur die kleine Maus fand es zwischendurch zum k*** und beförderte seinen Mittagssnack zurück in seine Hände.
Nach der Ankunft haben wir unsere kleine aber feine Ferienwohnung bezogen und sind nach einer kurzen Erfrischung los zur 10 Minuten entfernten Klinik gefahren.
Frau Dr. Hase schrieb uns schon eine WhatsApp, dass sie noch in einer OP sei und sich deshalb etwas verspätet. Wie Sie es schaffte währen einer OP eine Nachricht zu schreiben ist mir allerdings schleierhaft (Das könnte mir in den Kommentaren doch mal bitte ein/e Arzt/Ärztin oder OP Personal erklären). Mittlerweile weiß ich aber, dass Frau Dr. Hase wohl einfach die Frau ist die alles kann.
Wir gingen also noch ein wenig auf dem Klinikgelände spazieren und sind dann rein in die Kinderklinik.
Der erste Eindruck war schon mal sehr gut und die Hygiene Standards wirkten dort deutlich besser als in der Klinik bei Prof Dr. X. So durfte man zum Beispiel keine eigene Maske an behalten und hat eine neue Einwegmaske bekommen. Auch das Untersuchungszimmer war sehr ordentlich und wurde nach jedem Patienten gründlich gereinigt.
Frau Dr. Hase betrat nach kurzem Warten das Untersuchungszimmer und hat sich erst mal kurz mit uns unterhalten. Als erstes sollten wir jetzt nämlich spülen um zu sehen wie es klappt.
Wir waren vorbereitet und haben jede menge Videos aufs Handy geladen, denn Frau Dr. Hase hatte uns schon vorgewarnt, dass das erste Spülen sehr lange dauern kann und jede Art der Bestechung ausdrücklich erwünscht ist.
Und so dauerte das Spülen wirklich sehr sehr lange und die kleine Maus war super Kooperativ. Zum Ende, nach ca einer Stunde des Spülens, verstopfte aber leider immer wieder der Katheter und musste mehrmals neu eingeführt werden. Da war es dann vorbei. Die kleine Maus ist nur noch durchgedreht, hat Aua geschrien, geschlagen und getreten. Wir haben es dann so schnell es ging beendet, aber es blieb leider ein blödes Gefühl als Abschluss für ihn.
Frau Dr. Hase ließ uns dann einen Moment allein damit sich alle wieder etwas fangen und beruhigen können.
Innerlich hatte ich jetzt echt schon mit dem Spülen abgeschlossen und wenn das Spülen nicht klappen würde, dann müsste doch ein Stoma her (künstlicher Darmausgang).
Im folgenden Gespräch hat uns Frau Dr. Hase dann alle Optionen erklärt und wie es jetzt weiter geht. Eine OP würde frühestens in 3 Monaten stattfinden mit einer Röntgenkontrolle vorab, um zu sehen ob sich der geweitete Darm zurück gebildet hat. Für eine OP sollen wir dann etwa 2 Wochen Aufenthalt einplanen.
Ich wurde derweil immer stiller und musste die ein oder andere Träne wegdrücken.
Papa Maus war da aber noch durchaus optimistischer und so wurde beschlossen, dass er vielleicht erst mal derjenige ist der das Spülen übernimmt.
Unsere super einfühlsame Ärztin merkte aber, dass ich noch skeptisch und aufgewühlt war:
„Ihnen geht es noch nicht gut mit der Situation, oder? So lasse ich Sie nicht gehen. Ich möchte, dass Sie mit einem guten Gefühl hier raus gehen.“
Also hat Frau Dr. Hase noch ein mal länger mit uns gesprochen und uns gut zugeredet. Mir ging es dann wirklich besser und ich war wieder etwas zuversichtlicher. Spätestens jetzt wurde mir deutlich, warum uns diese tolle Ärztin von so vielen Betroffenen empfohlen wurde und so gingen wir gegen frühen Abend mit einem guten Gefühl zurück in die Ferienwohnung. Ganze 2 1/2 Stunden hat sich Frau Dr. Hase für uns Zeit genommen.
Den nächsten Tag haben wir dann als normale Touris verbracht und am Nachmittag auch noch Freunde getroffen die in dieser tollen, aber weit entfernten Stadt leben.
Je mehr es aber Richtung Abend ging desto mehr machte sich doch eine kleine Nervosität in mir breit. Nach dem Abendessen sollten wir also das erste mal alleine so eine Darmspülung machen. Ich erkläre euch mal kurz wie das so abläuft, wer da zu empfindlich ist überliest kurz die folgende Erklärung.
- Die kleine Maus legt sich auf die Unterlage.
- Dann wird der Katheter (ein normaler Blasenkatheter) eingeführt.
- Mit der großen Spritze wird lauwarmes Leitungswasser ein den Darm gespritzt.
- Ebenfalls mit der Spritze wird dann das Wasser-Stuhl-Gemisch rausgezogen.
- Das wird so lange wiederholt bis etwa 500 ml Wasser verbraucht sind (die Menge ist bei jedem Kind anders und Individuell).
- Anschließend setzen wir die kleine Maus noch mal auf die Toilette, damit er noch selbst etwas „arbeiten“ kann.
Nun aber zurück in der Ferienwohnung war es soweit und wir, bzw Papa Maus, wollten Ihn zum ersten mal selbst spülen.
Zuerst fand die kleine Maus es ganz schön blöd und wehrte sich.
Mit etwas Bestechung lief es aber doch erstaunlich gut. Ich war mächtig Stolz auf uns drei und optimistisch, dass wir so echt gut klar kommen werden.
Auf der Rückfahrt haben wir bei Freunden eine Mittagspause eingelegt und haben da auch erst mal von den Geschehnissen berichtet.
Auch davon, dass wir bei einer OP zwei Wochen im Krankenhaus oder bei früherer Entlassung zumindest in der Nähe bleiben sollen.
Frau Dr. Hase hat uns dafür auch vorgeschlagen wir können im angeschlossenen Ronald Mc Donald Haus (link) unterkommen, aber das ist ja eher für Familien mit schwer kranken Kindern meinte ich noch. Unsere Freundin sagte dann aber auch passend:
„Aber es ist ja auch nicht nur ein Schnupfen den die kleine Maus da hat. Er hat wirklich eine Erkrankung die nicht ohne ist.“
Und genau dieser Satz hat in mir echt noch mal geruckelt. Es wurde mir noch ein Stückchen bewusster was vielleicht noch alles auf uns zu kommt.
Was das alles so ist erfahrt Ihr in den nächsten Beiträgen.
Hoffentlich bis bald.
Eure Mama Maus
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