(11) DIE Operation
Und wie so oft kommt das Leben dazwischen und die Zeit und Nerven für einen Blogbeitrag fehlten einfach.
Wie schließt man da wieder an?
Ach ja. Ich erinnere mich.
Es war 5:15 Uhr am 16.03.2021, der Wecker schrillte.
Fertig machen. Nüchtern bleiben.
Die kleine Maus ist bei uns als guter Schläfer und Langschläfer bekannt und daher machte er auch keine Anstalten aufzuwachen. Mama und Papa konnten sich in Ruhe anziehen um dann in letzter Minute doch noch den Koffer umzupacken. Mein innerer Stress zeigte sich in Zickereien und Panik irgendwas vergessen zu haben. Papa Maus bekam das alles ungefiltert ab und blieb, so gut es ging, die Ruhe selbst.
Zehn Minuten bevor es los ging weckten wir die kleine Maus und zogen ihn nur schnell an. Er sollte ja nüchtern bleiben und ich hoffte den Gedanken an Essen so hinauszögern zu können.
Ich blieb solidarisch einfach auch Nüchtern… aber ehrlich gesagt hatte ich auch einfach keinen Hunger und hätte vor Nervosität auch nichts runter bekommen. So beließ ich es bei einem Cappuccino to go.
Um 5:50 Uhr gingen wir zu Fuß los zur 800 Meter entfernten Klinik, da wir uns um 6 Uhr auf der Station einfinden sollten.
Papa Maus begleitete uns noch bis zur Station, musste sich dann aber erst einmal wieder verabschieden.
Warten. Was sonst?!
Auf der Station angekommen durfte die kleine Maus sich schon mal in ein kleines OP Hemdchen schmeißen und es sich auf einem im Gang stehenden Bett bequem machen.
Eigentlich waren wir davon ausgegangen, dass wir an erster Stelle dran sind, wie es uns am Vortag gesagt wurde. Leider ergab sich das wohl als Falschinformation. Ein Kind nach dem anderen wurde vor uns Richtung OP geschoben.
Die kleine Maus war wieder einmal unheimlich geduldig, hat sich umgeschaut, erzählt, gefragt und schließlich sogar noch ein bisschen geschlafen. Das Pflegepersonal war ziemlich erstaunt wie er in diesem Trubel einfach so ein Schläfchen halten kann, aber ich denke er hat auch die Anspannung gespürt und dann einfach auf seine Art abgeschaltet.
Nach 3 Stunden (!) warten sollten wir dann aber endlich dran kommen.
Zunächst durfte die kleine Maus aber noch einen kleinen Schlafsaft trinken. Dieser bittersüße Saft gefiel ihm aber gar nicht und so spuckte er 90 % davon im hohen Bogen wieder aus.
So wurde die kleine Maus mit meiner Hilfe erst mal ohne Schlummertrunk zum Aufwachraum (in diesem Fall eher ein Einschlafraum) gefahren.
Dort angekommen bekamen er und sein Monsterchen eine schicke OP Haube. Das erfahrene Personal schaffte es sogar der kleinen Maus doch noch die nötige Menge Saft einzuflößen. Sehr liebevoll, ohne Zwang und mit einer unsichtbaren extra Portion für das Monsterchen.
Nach weiteren ca. 20 Minuten hieß es dann Abschied nehmen. Die mittlerweile sehr lustige und gleichzeitig müde kleine Maus gab mir noch ein Küsschen und wurde dann freudig winkend zum OP geschoben.
Wir sind Profis im Warten
Ich verließ das Gebäude und traf mich draußen auf dem Klinik Gelände mit Papa Maus. Als erstes schrieb ich aber Frau Dr. Hase wie abgesprochen eine Nachricht:
„?“ (Dieses kleine Zeichen sollte ich ihr schicken wenn ich die kleine Maus an der OP Schleuse abgegeben habe)
Wir spazierten über das weitläufige Gelände der Klinik, tranken einen Kaffee zusammen und ich bekam auch endlich ein kleines Frühstück, das Papa Maus mir vom Bäcker mitbrachte.
Gegen 11:30 Uhr kam dann wie verabredet die Antwort von Frau Dr. Hase:
„Ich fange an“
Die kleine Maus war also nun soweit vorbereitet, dass Frau Dr. Hase mit der eigentlichen OP beginnen konnte. Ihre reine Operationszeit würde etwa 3 Stunden betragen und danach würde Sie uns anrufen.
Also hieß es jetzt für uns „einfach nur“ warten. Das können wir mittlerweile ganz gut. Spazieren, Reden, Lesen, Handy daddeln, Instagram, Facebook, zwischendurch Mittagessen, rumsitzen, Löcher in die Luft starren… Klingeling. Plötzlich klingelt mein Handy.
Schon um 14 Uhr rief Frau Dr. Hase an.
Fertig
„Ich bin fertig. Die Operation ist gut verlaufen. Der kleinen Maus geht es gut. Machen Sie sich jetzt mal ganz langsam auf den Weg zur OP Schleuse. Wir treffen uns dort so in 20 Minuten.“
Natürlich haben wir uns nicht ganz langsam auf den Weg gemacht. Wir sind direkt Richtung OP Bereich und haben dort einfach gewartet bis Frau Dr. Hase zu uns kam.
Die Operation verlief soweit nach Plan. Es waren laut Röntgen ja in etwa 8 cm Dickdarm betroffen. Entfernt wurden ca. 14 cm, da der Darm an der Stelle besser geeignet war um ihn wieder zu vernähen. Während des Eingriffs wurde auch eine kleine Probe direkt zum Labor gebracht um zu überprüfen, ob auch kein aganglionäres Segment (Darm ohne Ganglienzellen) zurück geblieben ist. Am Ende der Operation wird der Darm wieder zurück an Ort und Stelle gebracht. Dabei ist eine kleine Darmfalte zurück geblieben die noch etwas aus dem After hinaus schaute. Im besten Fall sollte diese sich aber in den nächsten Tagen und Wochen selbst zurückziehen.
Anschließend haben wir auch erfahren, warum die OP erst so spät beginnen konnte. Es war schlicht kein Intensivbett frei, womit die OP tatsächlich zwischenzeitlich auf der Kippe stand. Aufgrund der langen Narkose und der schweren Operation kommen Kinder nach einer Durchzugsoperation nach De La Torre immer für mindestens einen Tag auf die Intensiv- oder Überwachungsstation.
Frau Dr. Hase hat vor der Operation die verschiedenen Kinderintensivstationen der Klinik abgeklappert und schließlich einen Platz auf der Kinderkardiologischen Überwachungsstation für die kleine Maus gefunden.
Ich durfte dann in den Aufwachraum zu unserer kleinen Maus bis er fit genug wäre zum Verlegen auf die Überwachungsstation.
Zuerst hatte ich Angst davor wie er wohl aussieht mit den ganzen Zugängen, aber schließlich war ich doch erleichtert, dass er gar nicht so schlimm aussah wie ich befürchtet hatte.
Er hatte einen zentralen Venenkatheter am Hals, einen Zugang am Handgelenk und einen Blasenkatheter. Klingt schon nach viel, aber es war alles gut verpackt und sah halb so wild aus.
Richtig wach wurde er im Aufwachraum nicht, aber zumindest öffnete er zwischendurch mal kurz die Augen. Nach ca. 30 Minuten konnten wir ihn dann gemeinsam zur Überwachungsstation begleiten. Dort durfte Papa Maus auch noch bis zum frühen Abend bei uns bleiben und ich bekam entgegen der Erwartungen ein „richtiges“ Elternklappbett und nicht nur einen Sessel zum Schlafen.
Auf der Überwachungsstation
Die erste Nacht war dann auch sehr durchwachsen. An dem ZVK (zentraler Venenkatheter) waren 3 Infusionen angeschlossen. Eine davon ein Dauerschmerzmittel, zusätzlich Flüssigkeit und einer Optional für ein stärkeres Schmerzmittel. Das wichtigste sei jetzt laut Frau Dr. Hase erst einmal, dass die kleine Maus komplett schmerzfrei ist und so viel Schmerzmittel bekommen darf wie dafür nötig. In der ersten Nacht wirkte die Kaudalanästhesie von der OP wohl noch gut nach.
Am nächsten Morgen war dann aber der Moment für das stärkere Schmerzmittel gekommen. Ein starkes Opioid das liebevoll „Dippi“ genannt wurde. Die schmerzen wurden damit schnell besser, aber eine Nebenwirkung davon ist wohl Übelkeit und Erbrechen. Naja, und wenn irgendwo Erbrechen als Nebenwirkung drauf steht, dann nimmt die kleine Maus es auch mit.
Das war kein schöner Anblick. Benebelt vom Schmerzmittel, zitternd vom Erbrechen.
Im Laufe des Vormittags ging es ihm aber so gut, dass wir auf die Normalstation verlegt werden konnten.
Normalstation
Auf der Normalstation bekam er noch insgesamt zweimal den Dippi. Leider jedes Mal mit Erbrechen, aber immer noch besser als die Schmerzen zu ertragen.
Ich wurde in der Krankenhauszeit selbst zur kleinen Hilfspflegekraft. Ich wollte mitmachen und wissen was passiert.
Ein Beispiel die „Infusionsmaschine“ am ZVK. Immer wenn eine der 3 Infusionen fast leer gelaufen war gab es ein Warnsignal (Ich werde diese Düdelüdüdüt wohl nie mehr aus dem Ohr bekommen). Ich wusste dann schnell wie ich zumindest den Ton kurz ausschalten konnte und habe dann 2 Minuten vor Ablauf eine Schwester oder einen Pfleger geholt. Wenn man zu früh jemanden holte dauerte es zu lange und die Pflegekraft musste wieder schnell woanders hin, weshalb man dann also noch mal bescheid sagen müsste.
Es ging der kleinen Maus dann aber in großen Schritten schnell besser. Da war dann eher das Problem den Bewegungsdrang in Zaum zu halten und da war dann die tägliche Physiotherapie ein echtes Highlight. Abgesehen davon haben wir viel gelesen, gespielt, Musik gehört, gesungen und gekuschelt… oder auch nicht. Wir haben zwar auch ein bisschen gepuzzelt und Tip Toi Bücher angeschaut, aber die meiste Zeit musste tatsächlich das Tablet herhalten. Ich glaube die kleine Maus hat noch nie so viel am Tablet gespielt und geschaut wie bei diesem Krankenhaus Aufenthalt.
Das Kuscheln beschränkte sich auch darauf, dass ich mich manchmal zu ihm gelegt habe wenn er einen Film schaute oder auch das Kuscheln zum Einschlafen.
Die Nächte waren extrem durchwachsen. Die kleine Maus hat im Grunde immer durch geschlafen, aber trotzdem wurde ich bei jeder Bewegung wach, aus Sorge er könnte sich in den Schläuchen vom ZVK verheddern. Oder auch wenn mal wieder eine Infusion durch gelaufen war und das eindringliche „düdelüdüdüt“ ertönte.
Auch das 10 Monate alte Baby, das mit seiner Mama bei uns auf dem Zimmer lag hat (verständlicherweise) sehr unruhig geschlafen. Da ist dann auch noch der Mama Instinkt in mir sehr ausgeprägt, so dass ich auch da immer gleich mit wach wurde.
Die Verdauung klappte nach der OP auch gleich sehr gut. Ein bisschen zu gut sogar, da er mitunter alle 20 Minuten eine Frische Windel brauchte. Dadurch hatte er dann direkt einen sehr sehr wunden Po. Unsere liebe Morbus Hirschsprung Gruppe hatte uns darauf schon vorbereitet. Die Haut am After muss sich erst mal an den Stuhlgang gewöhnen.
Das Ausmaß hätte ich mir aber niemals so heftig vorgestellt. Mir war nicht bewusst wie ein Kind so einen wunden Po bekommen kann. Er war wirklich blutig und offen wund. Er bekam also schon dafür auch erst mal weiter Schmerzmittel und zum abheilen eine spezielle Mischcreme und Schwarztee zum abtupfen.
Ab nach Hause
Schon 6 Tage nach der Operation durften wir tatsächlich schon nach Hause. Wir waren davon ausgegangen, dass wir noch eine Woche in der Nähe der Klinik bleiben sollen, aber Frau Dr. Hase war so zufrieden mit der kleinen Maus, dass es dafür keinen Anlass gab.
Die große Maus und Papa Maus holten uns also am Krankenhaus ab und wir verbrachten noch eine Nacht gemeinsam im Ronald McDonald Haus.
Diese Nacht war aber alles andere als ruhig. Warum, erfahrt Ihr im nächsten Beitrag über die Zeit nach dem Krankenhaus.
Bis bald.
Eure Mama Maus